Gerade las ich wieder einen Satz, der mehr Leichtigkeit ins Leben bringen soll: “Ich nehme mich einfach nicht so ernst.”
Er stammte von einem Prominenten. Und den meisten gefällt diese Sichtweise. Schließlich geht mit Humor ja bekanntlich alles leichter und wer sich zu ernst nimmt, ist entweder humorlos oder ein Egozentriker. Jeder, der sich nicht so ernst nimmt, wirkt gleich viel fröhlicher und sympathischer, oder?
Ich weiß natürlich, wie dieser Satz gemeint ist und dass zu viel Ernst das Leben schwer machen kann. Gleichzeitig höre ich auch immer wieder so etwas wie “Keiner nimmt mich ernst!” oder “Ich fühle mich nicht ernst genommen!” Ob in einer Partnerschaft, bei der Arbeit, von der Gesellschaft oder von der Politik.
Jetzt soll dieser Beitrag nicht das schon so oft zitierte Du-musst-dich-selbst-ernst-nehmen-und-dann-nehmen-dich-die-Anderen-auch-ernst-Versprechen bedienen. Nicht, dass daran irgendetwas falsch wäre. Ich werde dabei nur das Gefühl nicht los, dass noch etwas fehlt.
Wie funktioniert das eigentlich – das Sich-selbst-ernst-nehmen?
Glaubenssätze, die uns davon abhalten, uns ernst zu nehmen
Vielleicht hast du das auch als Kind gehört: “Nimm dich doch nicht immer so wichtig! Im Vergleich zu … geht’s dir doch noch gut. Sei nicht so empfindlich! Stell´dich nicht so an!”
Da wir als Kinder darauf angewiesen sind, dass unsere Bezugspersonen sich um uns kümmern und uns versorgen, wollen wir es ihnen immer recht machen. Wir können gar nicht anders, als uns anzupassen und übernehmen diese Sichtweise auf uns selbst.
Daraus entstehen dann Glaubenssätze wie
- “Ich sollte mich nicht immer so ernst nehmen.”
- “Ich bin zu empfindlich.”
- “Eigentlich habe ich gar keinen Grund dafür, dass es mir schlecht geht / dass ich mich so unwohl/traurig/verletzt … fühle.”
- “Ich weiß auch nicht, warum ich so bin. Irgendetwas stimmt wohl nicht mit mir.”
Also fangen wir an, das, was wir fühlen, wegzudrücken. Wir wollen es nicht mehr fühlen. Schließlich wollen wir uns ja nicht so anstellen und ein Jammerlappen sein. Oft verstehen wir selbst nicht mal so richtig, warum wir uns so fühlen. Dieses Gefühl, dieser Schmerz soll einfach nur weg!
Wenn deine Eltern und / oder Großeltern den Krieg und die Nachkriegszeit miterlebt haben, blieb ihnen meist nichts anderes übrig, als sich hart zu machen, um vieles nicht spüren zu müssen. Zu der Zeit waren einfach andere Dinge wichtiger. Es ging oftmals ums pure Überleben! Selbstliebe galt als egoistisch. Man musste zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen. In dieser Generation hört man oft so etwas wie “Man soll sich nicht selbst loben. Das macht man nicht!”
Diese Generation hat all ihre Überzeugungen an die nächsten Generationen – und damit auch an dich – weitergegeben. Das ist vollkommen normal und geschieht ja meist auch aus Liebe. Schließlich will man das, was einem selbst das Überleben gesichert hat, an seine Kinder weitergeben.
Aber: Die Menschen waren damals im Ausnahmezustand!
Und auch heute sind viele Menschen im Ausnahmezustand. Entweder weil sie selbst Schlimmes erlebt haben oder weil sie die Emotionen und Überlebensstrategien von ihren Bezugspersonen übernommen haben.
Selbstliebe ist kein Luxus
So viele Menschen glauben, sie müssten erst etwas geleistet haben, um geliebt zu werden und sich selbst lieben zu dürfen. Ganz nach dem Motto: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Und viele Menschen, unter ihnen viele Hochsensible, glauben, sie dürften sich selbst nichts Gutes tun, solange andere Menschen leiden. Ob innerhalb der Familie oder überhaupt in der Welt. Sie leiden dann sehr mit und fühlen sich unwohl bei dem Gedanken, dass sie sich selbst etwas gönnen und es genießen, während andere Menschen leiden müssen.
Manche gehen dann sehr darin auf, anderen zu helfen, Hilfen zu organisieren und sich zu engagieren. Das ist großartig und sehr wertvoll.
Ich beobachte das immer wieder bei Menschen, die Angehörige pflegen. Wenn ich sie frage, was sie sich selbst Gutes tun, höre ich immer wieder: “Das kann warten. Jetzt ist erstmal XY wichtiger!” Dabei übersehen sie, dass sie neue Energie tanken, wenn sie etwas für sich tun, was wieder der Person, die auf ihre Hilfe angewiesen ist, zugute kommt. Oft machen sich die Menschen, die gepflegt werden, sehr viele Sorgen, dass ihr Partner / ihre Partnerin / ihre Kinder … überfordert ist.
Was ist der wirkliche Grund für diese Selbstaufopferung und den Verzicht auf etwas Glück? Diese Frage kann sich nur jeder für sich beantworten. Vielleicht ist es das schlechte Gewissen, das hochkommt, wenn es dir besser geht als anderen. Oder du denkst, dass du erst abliefern musst, bevor du dir “als Belohnung” etwas leisten darfst.
Angesichts der vielen Kriege, Hungersnöte, Ungerechtigkeiten … in der Welt ist Mitgefühl ganz entscheidend – aber kein Mitleid! Mitleid hilft niemandem. Es schwächt nur alle Betroffenen. Mitgefühl dagegen wird von Liebe getragen.
Es hat noch niemandem geholfen, wenn es jemandem schlecht geht. Im Gegenteil. Es vergrößert das Leid nur noch. Je mehr Leid da ist, desto wichtiger erscheint es mir, dass es viele Menschen gibt, die glücklich und voller Liebe sind. Dazu gehört auch die Selbstliebe, um in eine positive Energie zu kommen, die ich dann weitergeben kann.
Wie emotionale Verletzungen uns daran hindern, uns ernst zu nehmen
Wir alle haben emotionale Verletzungen erfahren. Manche hatten dabei gute Unterstützung und konnten diese Verletzungen leichter integrieren. Andere leiden viele Jahre oder sogar ihr ganzes Leben darunter.
Es ist ein normales Verhalten, dass wir alles tun, um Schmerz nicht fühlen zu müssen. Wir meiden Situationen, die uns nicht gut tun. Unser Körper setzt Stoffe frei, die uns in den Fight-flight-freeze-Modus versetzen, um uns vor Verletzungen und Schmerz zu schützen. Daher ist es vollkommen verständlich, dass wir versuchen, unsere emotionalen Verletzungen loszuwerden. Wir tun alles, um sie uns nicht ansehen zu müssen. Denn das würde bedeuten, dass wir den Schmerz erneut fühlen. Das wollen wir verständlicherweise nicht.
Doch nur, weil wir nicht hinsehen, heißt das nicht, dass er nicht mehr da ist. Die Verletzungen und der Schmerz sind immer noch da und machen sich auch immer wieder bemerkbar: wir werden durch bestimmte Situationen von außen und / oder das Verhalten anderer getriggert – ZACK – spüren wir den Schmerz erneut – und geben den äußeren Umständen die Schuld daran.
Wenn wir uns die schmerzlichen Emotionen ansehen, erkennen, dass sie uns helfen wollen, und sie integrieren, kann uns das Verhalten anderer nicht so leicht triggern und wir bestimmen selbst, wie wir mit den Situationen umgehen.
Hilflosigkeit fühlen wir immer dann, wenn wir glauben, nichts beeinflussen zu können. Wenn wir das Ruder aber wieder in die Hand nehmen, können wir Einfluss nehmen und fühlen uns seltener hilflos und ausgeliefert.
Körperliche Schmerzen
Körperliche Verspannungen haben immer einen Grund. Sie wollen dich schützen. Wenn du deine Muskulatur zu lange fehl- oder überbelastet hast, macht dich dein Körper darauf aufmerksam, um dich vor Muskelschäden zu bewahren. Emotionaler Stress kann Muskelverspannungen verursachen, die dich daran erinnern, etwas an deiner Situation zu verändern.
Der Bereich in deinem Gehirn, der deine Muskeln anspannt, ist für Stabilität zuständig, nicht aber für die Schmerzwahrnehmung. Diese unterschiedlichen Hirnareale “wissen” also nichts voneinander. Das macht Sinn, weil so die Stabilität in deinem Körper gewährleistet ist. Stabilität geht immer vor Beweglichkeit. Das gibt dir die notwendige Sicherheit.
Nun fragst du dich vielleicht, wie du mit dem Schmerz umgehen sollst, um ihn im besten Fall loszuwerden. Denn letztlich wollen wir nach Möglichkeit ohne Schmerzen leben, oder?
Schmerzen solltest du immer ernst nehmen! Sie sind dein Wegweiser und zeigen dir, ob du auf dem richtigen Weg bist.
Egal, ob es sich um emotionale oder körperliche Verletzungen / Schmerzen handelt: Höre auf zu kämpfen! In beiden Fällen gibt es einen Grund, warum dein Körper Schmerz wahrnimmt. Er will dich auf etwas aufmerksam machen und dich vor Schlimmerem bewahren.
Wären die oben genannten Bereiche in deinem Gehirn nicht voneinander getrennt und die Schmerzwahrnehmung wäre im selben Hirnareal, das für deine Stabilität zuständig ist, sähe es ganz anders aus: Da unser Körper immer darauf bedacht ist, uns zu schützen und Stabilität zu erhalten bzw. wieder herzustellen und Schmerz zu vermeiden, hätten wir dieses Warnsystem nicht. Doch indem wir den Schmerz ignorieren, übergehen oder mit Medikamenten (oder anderen Substanzen) unterdrücken, muss der Körper immer mehr darauf achten, dass die Stabilität erhalten bleibt und entwickelt Verspannungen oder andere Symptome.
Würden wir uns und unseren Körper ernster nehmen, wären wir vermutlich viel entspannter, weil wir nicht mehr kämpfen müssten. Weder gegen uns selbst – denn wir wären achtsamer mit uns und den Symptomen unseres Körpers, noch gegen irgendetwas im Außen – denn unser Körper zeigt uns durch unsere Intuition und körperlichen Signale genau, was für uns gut und was schädlich ist.
Fazit
Egal, wie lange du mit deinen körperlichen oder emotionalen Schmerzen schon lebst: Fange an, etwas zu verändern. Es ist nie zu spät. Man gewöhnt sich an vieles, aber willst du das?
Fange an, dich endlich ernst zu nehmen. Du tust dir und deinem Umfeld damit einen riesigen Gefallen. Denn wie fühlst du dich, wenn du merkst, dass jemand in deiner Nähe sich unwohl fühlt oder sogar Schmerzen hat? Es tut dir gut, wenn es den Menschen in deiner Umgebung gut geht, oder? Genauso geht es deinen Mitmenschen gut, wenn du es dir gutgehen lässt.
Höre auf zu kämpfen und bringe Frieden in deine (innere) Welt. Das wird Auswirkungen auf deine äußere Welt haben und damit auf alle Menschen um dich herum, die wiederum Frieden in ihre Umgebung bringen können.
Es ist nicht egoistisch, sich selbst ernst zu nehmen. Und es ist auch kein Luxus, auf sich zu achten. Es ist schlicht und ergreifend notwendig.
Wie denkst du darüber? Schreibe gerne deine Gedanken dazu in die Kommentare.
HEY, ICH BIN MELANIE
Ich helfe dir, deine Muskelverspannungen zu lösen und mehr Entspannung in dein Leben zu bringen.
Ich bin Diplom-Pädagogin, SANJO-Praktikerin, Sprachtherapeutin, Mutter, Ehefrau, hochsensibel, Katzenliebhaberin, Nordlicht …